Öffentliche Bibliotheken gibt es schon seit der Antike – und seit dem 19. Jahrhundert helfen Stadtbüchereien, kirchliche Bibliotheken und Arbeiterbibliotheken dabei, dass der Zugang zu Bildung und Fortschritt nicht nur ein Privileg der Wohlhabenden blieb.
Doch wie setzt man dieses Anliegen an der Schwelle zu einem digitalen Zeitalter neu um?
Einen wichtigen Schritt ist man in Olpe gegangen – und hat eine “Bibliothek der digitalen Dinge” geschaffen. Was ist das – und vor allem: Wie kann man dies als Kommune selbst gut umsetzen?
Das klären wir in diesem Leitfaden
Was ist eine Bibliothek der digitalen Dinge?
Eine Bibliothek der digitalen Dinge erweitert das traditionelle Angebot einer Stadtbibliothek um moderne digitale Endgeräte. Bürger können Geräte wie VR-Brillen, Beamer oder programmierbare Roboter ausleihen.
Die Geräteausleihe funktioniert ähnlich wie bei Büchern: Die Nutzer:innen melden sich an, wählen das gewünschte Gerät aus und können es für einen bestimmten Zeitraum ausleihen. Ergänzend dazu werden oft Workshops und Schulungen angeboten, um die Nutzer:innen in die Bedienung nicht-selbsterklärender Geräte einzuführen und ihre digitalen Kompetenzen zu stärken.
Wer hat etwas davon?
Bürger:innen
Die Hauptnutznießer sind die Bürgerinnen und Bürger. Sie erhalten Zugang zu teuren und modernen Technologien, die sie sich sonst vielleicht selbst nicht leisten könnten. Dies fördert die digitale Teilhabe und ermöglicht es, neue Technologien auszuprobieren und zu lernen. Besonders Kinder und Jugendliche profitieren, indem sie spielerisch und praxisnah digitale Kompetenzen erwerben können.
Kommunen
Für Kommunen bietet die Bibliothek der digitalen Dinge die Chance, sich als moderne und zukunftsorientierte Gemeinde zu präsentieren. Das Projekt stärkt das Gemeinschaftsgefühl und macht die Stadt attraktiver für Bewohner:innen und potenzielle Neubürger:innen. Außerdem fördert es die Bürgerbeteiligung und bindet die Bevölkerung aktiv in die Weiterentwicklung der Bibliothek ein.
Gesellschaft
Gesamtgesellschaftlich trägt die Bibliothek der digitalen Dinge zur Chancengleichheit bei. Sie ermöglicht allen Bürger:innen, unabhängig von ihrem finanziellen Hintergrund, den Zugang zu modernen Technologien. Dies fördert eine inklusive Gesellschaft und unterstützt den bewussten Umgang mit Ressourcen, indem Fehlkäufe und unnötiger Konsum vermieden werden.
Wie beginnt man am besten mit der eigenen Umsetzung?
Nach der Idee sollte klassischerweise eine erste, grobe Konzept-Phase stattfinden:
- Wer muss alles ins Boot geholt werden?
- An welche Stellen muss sich gewendet werden? (Rechtliche Umsetzung, Budgetierung etc.)
- Was könnten sinnvolle Gegenstände für die Menschen bei uns im Ort sein?
Gerade für den letzten Punkt griff man in Olpe zur Einbindung der Bürger:innen. Eine Online-Umfrage half, die Bedürfnisse und Wünsche der Bevölkerung zu ermitteln. Darauf aufbauend folgte eine Strategiephase, in der das Projekt genauer geplant und formale Voraussetzungen geklärt wurden.
Ein erster Fallstrick in der Umsetzung: Nicht jeder Bürger:innenwunsch kann technisch ermöglicht werden. Moderne Spielekonsolen bspw. sind an einen Account gebunden – und bedürfen auch immer wieder der Anschaffung neuer, moderner Spiele.
Zudem gibt es technische Begrenzungen durch Software- und Wartungsaufwand als auch rechtliche Grenzen zu bedenken (bspw. bei Drohnen. siehe Punkt “Insider Tipps”).
Wie viel Budget sollte man einplanen?
Die kurze Antwort: Ein vierstelliger Betrag wird es in der Regel werden.
In etwas länger:
Die Budgetplanung hängt von der Größe der Bibliothek und der Auswahl der Geräte ab. Neben den Anschaffungskosten für die Geräte sollten auch Mittel für die Wartung und eventuelle Schulungen eingeplant werden. Fördermittel und Sponsoren können helfen, die finanziellen Belastungen zu reduzieren.
Eine grobe Hausnummer für die Planungen kann sein: 10.000- 15.000 € an initialen Anschaffungskosten kalkulieren – und jährliche Kosten von 1.000€ veranschlagen.
Eine wichtige Lernerfahrung aus Olpe: Es sollte nicht nur Geld für die reale Technik und die Schulungen berücksichtigt werden, auch Vitrinen und Aufbewahrung kosten Geld und können ein Drittel des Projektbudgets ausmachen.
Welche Gegenstände eignen sich gut – und welche weniger?
In Olpe hat sich in einem ersten Schwung folgende Technik als praktikabel erwiesen:
- Entertainment
- Beamer
- Retro-Spielekonsolen
- Blu-ray Player
- Elektronische Medien
- Sprachstifte (bspw. TipToi)
- E-Reader
- Wiedergabe-Geräte (bspw. Tonie-Box)
- VR-Brillen
- Sofortbild-Kameras
- Digitale Hilfsmittel
- Dia-Scanner
- Ortungsgeräte für Leitungen
- Wildkamera
- Kasettendigitalisierer
- Entfernungsmesser
- digitale Wasserwage
- Elektronische Gegenstände
- Programmierbare Roboter
- Smartphone Teleskope
- Grafikdisplays
- Galaxie-Projektor
Insidertipps aus Olpe – Nachmachen strengstens erlaubt
Bedarf abfragen – und als Planungsgrundlage benutzen
Ein besonders wertvoller Tipp aus Olpe ist die frühzeitige Einbindung der Bürger:innen durch eine Umfrage. Dabei hat sich bewährt, gezielt nach Gegenständen zu fragen, die man nur selten nutzt oder einmal ausprobieren möchte. Fragen wie „Was braucht ihr 1x im Leben?“, „Was benötigt ihr 1x im Jahr?“ oder “Was wolltet ihr immer schon einmal ausprobieren” liefern wertvolle Erkenntnisse, um das Angebot passgenau zu gestalten.
Der Vorteil: Dieser partizipative Ansatz sorgt dafür, dass die Bibliothek der digitalen Dinge auf die Bedürfnisse der Bevölkerung zugeschnitten ist – und so das Interesse der Nutzer:innen höher ist, als bei einem in der Theorie entworfenen Produkt-Angebot.
Schnell und kostengünstig umsetzbar
Auch die Umsetzung des Projekts kann als Erfolgsmodell dienen. In Olpe wurde das Projekt innerhalb von nur vier Monaten realisiert – von der Planung bis zur Eröffnung. Ein wichtiges Learning dabei ist, dass dieses Vorhaben auch ohne umfangreiche Fördermittel umsetzbar ist. Für die Anschubfinanzierung sollte mit einem Budget von etwa 10.000 bis 15.000 Euro gerechnet, was das Projekt auch für kleinere Kommunen attraktiv macht. Die laufenden Kosten sind mit rund 1.000 Euro pro Jahr überschaubar und decken den Wartungsaufwand sowie Ersatzteile ab. Somit lässt sich die Bibliothek der digitalen Dinge auch langfristig kostengünstig betreiben – vorausgesetzt die Kommune betreibt eine Bibliothek, an welche sich das Angebot andocken kann.
Bedenken zur Haftung eher zu vernachlässigen
Ein häufiger Punkt in Planungsphasen sind Bedenken hinsichtlich der Haftung. In Olpe hat sich gezeigt, dass diese Bedenken in der Realität weit weniger problematisch sind, als manch eine:r befürchtet. Schäden an den Geräten treten selten auf – in Olpe bisher genau einmal. Sollte es doch einmal zu einem Schaden kommen, kann dies über die Haftpflichtversicherung der Ausleihenden geregelt werden. Um das Risiko weiter zu minimieren, sollten besonders teure oder technisch anspruchsvolle Geräte wie VR-Brillen oder Beamer nur an volljährige Nutzer:innen ausgeliehen werden. Diese Maßnahme erhöht die Verantwortlichkeit und reduziert das Risiko von Schäden.
Kostenfaktor Aufbewahrung nicht unterschätzen
Ein weiterer wichtiger Aspekt, den man bei der Budgetplanung nicht vergessen sollte, ist die sichere Aufbewahrung der Geräte. In Olpe hat sich gezeigt, dass Vitrinen und andere Aufbewahrungslösungen einen wesentlichen Teil der Projektkosten ausmachen können. Etwa ein Drittel des gesamten Budgets wurde für die Präsentation und die sichere Lagerung der Geräte veranschlagt. Daher ist es ratsam, diese Kosten von Anfang an einzuplanen, um böse Überraschungen zu vermeiden und die Geräte sicher und attraktiv zu präsentieren.
Publikums-Liebling Drohnen leider nicht möglich
Ein besonders spannendes, aber zugleich herausforderndes Thema sind Drohnen. In der Erfahrung der Stadtlabore im Projekt “5 für Südwestfalen” zeigt sich, dass diese Geräte ein Publikumsmagnet und Türöffner sind, um über Smart Cities und Digitalisierung ins Gespräch zu kommen. Dennoch entschied man sich in Olpe bewusst gegen die Anschaffung von Drohnen, und zwar aus einem klaren Grund: die Haftungsfrage.
Denn: Bei Drohnen liegt die Haftung im Falle eines Unfalls oder Schadens beim Eigentümer – in diesem Fall bei der Stadt oder Bibliothek – und nicht bei der Person, die die Drohne ausleiht. Diese rechtliche Verantwortung lässt sich nur schwer auf die Nutzer:innen übertragen und wäre mit einem hohen bürokratischen Aufwand und möglicherweise speziellen Versicherungen verbunden. Deshalb wurde darauf verzichtet, Drohnen ins Sortiment aufzunehmen.
Weiterführende Links
- Bericht der Stadt zur Eröffnung der Bibliothek der digitalen Dinge in Olpe
- Der Sauerlandkurier half dabei, die initiale Umfrage publik zu machen
- Die Bibliothek der digitalen Dinge im Südwestfalen_Mag
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