Wie starte ich einen Smart-City-Prozess innerhalb einer Stadtverwaltung? Wir fragen Stephan Siegert, Smart-City-Projektmanager der Stadt Soest, wie man dort seit April 2019 den Smart-City-Prozess angegangen ist. Soest ist Teil des Modellprojekts „Smart Cities: 5 für Südwestfalen“ und damit eine der Pionier*innen auf dem Weg, südwestfälische Smart City zu werden.
Woran machst du den „Startschuss“ des Soester Smart-City-Prozesses fest?
Ich würde den offiziellen Start bei der Vorstellung der Projektidee im Verwaltungsvorstand im April 2019 festmachen. Der Aufruf zum Modellprojekt Smart Cities kam uns sehr gelegen, da uns aus den Projektfortschritten innerhalb der Digitalen Modellregion schnell bewusst geworden war, dass viele einzelne Projekte – ob aus der Richtung Verwaltungsdigitalisierung oder digitaler Stadtentwicklung – nicht einfach nur so ablaufen können, sondern einer strategischen Grundlage folgen müssen. Unser Team Soest Digital, zu dem ich selbst auch seit Januar 2019 gehöre, hatte sich im Rahmen der Projektförderung zur Digitalen Modellregion gebildet und bestand damals bereits aus acht Mitgliedern unterschiedlicher Abteilungen. Wir hatten damals im Team entschieden, dass der Projektaufruf zu den Modellprojekten Smart Cities die ideale Möglichkeit darstellte, die strategische Ebene für unsere Stadt in Angriff zu nehmen.
Welche Personen aus der Stadtverwaltung waren daran beteiligt?
Das Team von Soest Digital ist als Organisationseinheit angedockt an den Bereich Personal und Organisation. Jörg Radandt, Fachbereichsleiter und Mitglied des Verwaltungsvorstands leitet gleichzeitig das Team Soest Digital und machte den Bürgermeister damit ohne Umwege auf die Idee aufmerksam. Als CDO (Chief Digital Officer) erhielt Jörg Radandt folglich auch die Zuständigkeit für das Thema „Smart City“.
Welche ersten Schritte hatte man ins Auge gefasst? Gab es Prioritäten?
Wir sind in Soest mit einer großen inhaltlichen Offenheit in das Thema Smart City gestartet. Ich würde sagen, dass eine eindeutige Fokussierung auf eine bestimmte Schwerpunktsetzung bereits in der Anfangsphase sehr hilfreich sein kann, um den Prozess bereits früh auf geeignete Projektthemen manövrieren zu können. Anderseits schließt man so sicherlich auch mögliche Schwerpunkte aus. Wir sind in Soest gut damit gefahren, die Schwerpunkte im Zuge der Bürgerbeteiligung zu schärfen. Auch der Austausch mit den anderen Smart-City-Projekten war für uns sehr inspirierend. Dadurch haben wir uns den „Soester Weg“ finden können. Dieser Weg sieht so aus, dass wir Klimakrise und digitalen Wandel zusammendenken wollen und daher unseren Smart City Schwerpunkt auf den Bereich Klima und Nachhaltigkeit gelegt haben. Das Ziel ist die Klimaneutrale Smart City Soest 2030.
Ich sehe zwei wichtige Grundsatzentscheidungen, die zu dieser Profilschärfung geführt haben. Zum einen wurde bereits sehr früh im Strategieprozess entschieden, dass die Smart City Strategie mehr als nur eine Digitalisierungsstrategie sein soll, sondern damit das bisherige Strategische Zukunftsprogramm abgelöst werden soll. Zum anderen haben wir entschieden, dass die Smart City Strategie zu einer Nachhaltigkeitsstrategie ausbauen wollen. Rückblickend würde ich sagen, dass es wirklich wichtig ist, zu entscheiden, welche Funktion eine Smart City Strategie für eine Stadt und innerhalb einer Verwaltung erfüllen soll.
Mit unserer Strategie reagieren wir neben den genannten Punkten auch auf den Bedarf einer organisatorischen Verortung des Themas digitaler Wandel. Hier wollen wir Ideen formulieren, welche Rollen und Gremien zu einer Klimaneutralen Smart City Soest gehören sollen.
Ein Smart-City-Prozess läuft nicht von selbst. Gab es bei euch Budget für ein solches Projekt?
In Soest gab es Startkapital aus der Digitalen Modellregion – konkret aus dem Fördertopf für strategische Beratung. Wir hätten also auch ohne Smart-Cities-Förderung diesen Strategieprozess beginnen können. Daneben hat die Stadt Soest immer auch einen Haushaltsposten für Organisationsberatung, aus welchem wir für Mittel zurückgegriffen hätten. Allerdings haben wir bewusst auf die regionale Komponente der 5 für Südwestfalen gesetzt – in der Überzeugung, dass man bei der Größe des Themas gemeinsam stärker ist.
Wie viel Zeit wurde für die Startphase vorgesehen?
Zeitlich vorbestimmt war zunächst nur die durch das Smart-Cities-Modellprojekt vorgegebene Förderphase von zwei Jahren. Rückblickend dauerte es von der Idee bis zur fertigen Projektorganisation, also bis unsere Arbeitsebene stand, ein gutes Jahr. Der Aufwand bis hier hin war dabei sehr hoch. Es floss sehr viel Arbeit in den Projektantrag sowie die damit verbundene Stellenausschreibung hier in Soest. Dazu kommen außerdem die vielen Gespräche und Besprechungen mit den Projektpartnern (also insbesondere mit dem Projektkonsoritum der „5 für Südwestfalen“). Man sollte unbedingt die Zeit berücksichtigen, die es bedarf, um das Vorhaben politisch zu verabreden. So haben wir bis zum Stand heute elf Gremiensitzungen hinter uns, beginnend mit dem politischen Beschluss, dieses Thema zu begehen. Insgesamt fanden sechs Projektgruppen-Tagungen von mindestens 2 Stunden statt: in diesen Tagungen waren neben einer Arbeitsebene stets alle Mitglieder des Verwaltungsvorstands vertreten. Das Team auf Arbeitsebene trifft sich zu wöchentlichen Besprechungen seit 2019. Außerdem zähle ich bislang 35 weitere Termine, die teamintern erforderlich waren.
Welche Ressource war für den Prozess-Start am wichtigsten?
Leute sind immer ganz entscheidend! Irgendwer muss da sein und sich den Hut aufziehen, also das Thema anstoßen und auch bearbeiten (In unserem Fall war das der CDO; denkbar sind aber auch andere Organisationsformen). In meinen Augen sind aber auch Kontakte zu und Netzwerke mit anderen Kommunen oder Partnern eine entscheidende Ressource, auf die man am Anfang zurückgreifen können sollte.
LESSONS LEARNED
- Smart City ist ein strategisches Thema, das man auch dementsprechend angehen sollte. Offen an die Sache heranzugehen, kann helfen, einen strategischen Fokus zu finden. Ist dieser klar, lässt sich viel gezielter am Smart-City-Prozess arbeiten. Unbedingt bei der Suche nach dem Fokus die Stadtgesellschaft, die Verwaltung und die Politik involvieren.
- Finde einen realen Bedarf: Wofür benötige ich eine Strategie? Und was will ich mit ihr erreichen? Welche „Bedarfslücke“ soll die Smart City füllen? Es hilft ungemein, wenn man diese Frage zu Beginn beantworten kann. Dadurch wird Smart City zudem nicht zum „Allheilmittel“.
- Hole dir frühzeitig ein Backup aus dem Verwaltungsvorstand ein und mach das Thema schnellstmöglich zur Chefsache. Dabei geht es zunächst um die Projektidee und nicht um ein komplett ausgearbeitetes Konzept, sondern um Rückendeckung und einen klaren Auftrag.
- Bestimme am Anfang wo die Strategie erarbeitet wird: Üblicherweise werden Strategien nicht in der Fachabteilung „Personal und Organisation“ entwickelt. Aber ganz gleich, wo man das Thema ansiedelt: sinnvoll ist, auf bestehenden Strukturen aufzusetzen. Eine neue Einheit für die Strategieentwicklung zu schaffen, kann lange dauern und den Strategieprozess verzögern. Aber auch wenn gilt, dass einfach loslegen funktioniert: unbedingt zu Beginn alle Fachabteilungen involvieren..
- Direkt am Anfang klar machen: Das Projekt kostet Geld! Es gilt zu klären, von wo das Geld herkommt. Wenn keins vorhanden ist, dann muss man sich Mittel über Förderprojekte beschaffen! Nur mit Bordmitteln ist das Thema wahrscheinlich nicht angemessen zu bearbeiten.
- Arbeitspakete definieren, um die erforderliche Dauer des Prozesses genauer bestimmen zu können!
- Frühzeitig Hilfe durch Beratung von Extern hinzuziehen. Der Expertenblick von außen hilft dabei, den anstehenden Prozess besser zu planen.