Die Energiewende beginnt im Lokalen. Kommunen tragen eine besondere Verantwortung, wenn es um Energieverbrauch, CO₂-Reduktion und Effizienz geht. Gleichzeitig fehlt es oft an Transparenz: Wo wird wie viel verbraucht? Welche Anlagen sind besonders ineffizient? Und wie lassen sich Maßnahmen messbar umsetzen?
Hier kommt die Digitalisierung ins Spiel. Denn mit Hilfe von intelligenten Sensoren, drahtlosen Netzen und digitalen Zwillingen lässt sich der kommunale Energieverbrauch in Echtzeit überwachen, auswerten und optimieren.
Der Energiezwilling ist dabei eine der spannendsten Lösungen: eine virtuelle, dynamische Abbildung des kommunalen Energieverbrauchs – als Steuerungsinstrument für Verwaltung, Politik und Betrieb.
Was ist ein digitaler Energiezwilling?
Ein digitaler Energiezwilling ist die digitale Repräsentation der Energieverbrauchsstruktur der Gebäude einer Kommune. Er verknüpft reale Messdaten – etwa Strom- und Gasverbräuche in Gebäuden – mit digitalen Analyse- und Steuerungsmöglichkeiten.
Im Gegensatz zu klassischen Energiemanagementsystemen setzt ein Energiezwilling auf kontinuierliche Datenflüsse, nicht auf punktuelle Ablesungen. Verbrauchsdaten werden in Echtzeit oder in regelmäßigen Intervallen übermittelt, gespeichert, ausgewertet und visualisiert. Ziel ist ein umfassendes Lagebild der energetischen Situation – sowohl für einzelne Gebäude als auch für die Gesamtkommune.
Ein Praxisbeispiel aus Südwestfalen: Energiezwilling Bad Berleburg
Ein gelungenes Beispiel für die Umsetzung liefert die Stadt Bad Berleburg. Im Rahmen des Projekts „Smart Cities: 5 für Südwestfalen“ wird hier ein Energiezwilling aufgebaut, der als zentrale Steuerungsplattform für das kommunale Energiemanagement dienen soll.
Die Ausgangslage: Bisher fehlte eine systematische Erfassung von Verbrauchsdaten. Zählerstände wurden händisch abgelesen, teilweise nur einmal jährlich. Eine Echtzeit-Transparenz über Verbräuche, Einsparungen oder Anomalien war nicht gegeben.
Die Umsetzung:
- Bestehende Zähler wurden mit digitalen Sensoren nachgerüstet.
- Die Daten werden über das stadtweite LoRaWAN-Funknetz gesendet.
- Eine zentrale Datenplattform (Smart City Cockpit) bereitet die Daten auf.
- Zielgruppengerechte Dashboards ermöglichen individuelle Auswertungen – z. B. für Schulen oder Bauhof.
- Künftig sollen auch Verbrauchsdaten von PV-Anlagen, E-Ladesäulen und Gebäudetechnik integriert werden.
Die Vorteile:
- Auffällige Verbrauchsmuster (z. B. Nachtverbräuche) werden sichtbar.
- CO₂-Bilanzen lassen sich detailliert aufstellen.
- Datenbasierte Entscheidungen für Investitionen (z. B. Sanierung oder Neubau) werden möglich.
Welche (technischen) Grundlagen braucht es dafür?
Damit ein Energiezwilling funktioniert, braucht es eine Kombination aus Sensorik, Datenkommunikation und IT-Infrastruktur:
- Sensorik / Smart Metering: Bestehende Strom-, Gas- oder Wasserzähler können mit digitalen Aufsatzgeräten nachgerüstet werden. Alternativ kommen direkt smarte Messsysteme zum Einsatz.
- LoRaWAN: Das Low Power Wide Area Network ist ideal für kommunale Szenarien. Es ermöglicht drahtlose Datenübertragung mit großer Reichweite und niedrigem Energieverbrauch.
- Datenplattformen: Die gesammelten Daten müssen strukturiert gespeichert und visualisiert werden. Moderne Dashboards bieten Filterfunktionen, Alarmierungen und Zielgruppenansichten.
- Schnittstellen: Einbindung in Fachanwendungen (z. B. Liegenschaftsverwaltung, Klimaberichte) sorgt für Mehrwert.
- Inhouse-Kompetenz: Die Kommune benötigt Personal mit Grundverständnis für Datenmanagement, Sensorik und Systembetrieb.
Die Vorteile für die Kommune – und darüber hinaus
Ein digitaler Energiezwilling bietet konkrete Mehrwerte für unterschiedliche Zielgruppen:
- Verwaltung: erhält ein konsistentes Lagebild über alle kommunalen Gebäude, Verbräuche und Emissionen.
- Gebäudeverantwortliche: erkennen schnell Anomalien und Einsparpotenziale.
- Politik: erhält fundierte Entscheidungsgrundlagen – für Investitionen, Förderanträge oder Zielverfolgung.
- Öffentlichkeit: kann durch offene Daten und Visualisierungen einbezogen und für Energieeffizienz sensibilisiert werden.
Hinzu kommt: Wer weiß, wo er steht, kann gezielter handeln. Der Energiezwilling schafft Handlungsfähigkeit. Er ersetzt Mutmaßung durch Messbarkeit.
Nächste Schritte und Ausblick
Der Energiezwilling ist kein abgeschlossenes Produkt, sondern ein lernendes System. Künftige Schritte können sein:
- Integration weiterer Verbrauchsbereiche (z. B. Wasser, Raumklima, Mobilität)
- CO₂-Monitoring im Rahmen kommunaler Klimastrategien
- Entwicklung automatischer Handlungsempfehlungen auf Basis von Zielwerten
- Ausbau von Visualisierungen für Bürger und Schulen
- Regionale Skalierung – übertragbar auf Nachbarkommunen und Kreisstrukturen
Unter’m Strich: Weniger Blindflug, mehr Steuerung.
Digitale Energiezwillinge schaffen, was bisher fehlte: Überblick. Sie machen kommunale Energieflüsse sichtbar, vergleichbar und steuerbar. Und sie ermöglichen datenbasierte Entscheidungen, die Klima, Kosten und Komfort gleichermaßen berücksichtigen.
Für Kommunen bedeutet das: weniger Blindflug, mehr Steuerung. Wer Energie smart managen will, muss anfangen, Daten nicht nur zu sammeln, sondern zu nutzen. Der Energiezwilling zeigt, wie das gehen kann.
Hilfreiche Links
- Ein Grundlagentext des Bundesministerium für Wirtschaft & Energie zu Digitalen Energie-Zwillingen
- Ein Text aus dem Smart City Dialog , wie Digitale Zwillinge bei der Wärmewende helfen (Stichwort: Wärmeplanungs-Gesetz)